Gustave Courbet stellte in Deutschland, Belgien und England aus und wurde vielfach ausgezeichnet. Bekannt ist Courbet heute noch wegen seines viel beachteten, aber auch kritisierten Bildes "L’Origine du monde – Der Ursprung der Welt (1866)". Das seinerzeit skandalträchtige Gemälde befindet sich heute im Musée d’Orsay in Paris. Es ist in Öl auf Leinwand gemalt. Es zeigt eine Nahsicht der behaarten Vulva einer liegenden, nackten Frau mit gespreizten Schenkeln. Der Rest des Körpers ist, mit Ausnahme des Bauches und einer Brust mit Brustwarze, nicht abgebildet.
Courbet war ein Individualist, der sich zu seinem Autodidaktismus und seiner Heimat bekannte und die Kräfte der Natur und die Frauen liebte. Zwar führte er einige Kämpfe, insbesondere gegen Religiosität, bösen Willen und die Verachtung von Bauern und Handarbeitern, doch am Ende seines Lebens zeigte er sich ganz den Elementen der Landschaft ausgeliefert. Selten hatte ein Maler zu Lebzeiten so viele Beleidigungen über sich ergehen lassen müssen.
Er traf sich in der unweit von seinem Studio gelegenen Brasserie Andler, dem „Tempel des Realismus“, wie ihn Jules Champfleury, sein Freund und Kunstkritiker nannte, mit anderen Künstlern und Intellektuellen wie Charles Baudelaire, Pierre-Joseph Proudhon und Max Buchon, mit dem er bereits seit der Kindheit befreundet war. In dieser Runde entwickelte sich die neue Kunstströmung des Realismus.
Courbet ist – unter anderen Kreativen seiner Zeit – ein Beispiel für einen Künstler, der sein Land wegen der dortigen Verfolgung durch ein autoritäres Gewaltregime verließen beziehungsweise verlassen musste, und der durch das Leben im Exil einen Bruch in seiner zuvor sprühenden Kreativität erlitt und vielmehr noch, gesundheitlichem Verfall preisgegeben war, so dass sein Arbeitsflusses versiegte, was durch den Verlust der Lebens- und Arbeitsumgebung und nicht zuletzt durch Hindernisse in den sie betreffenden wirtschaftlichen, sozialen und medialen Bereichen bedingt war. Bei ihm dauerte es nicht lange, bis der Zusammenbruch seinem Leben mit nur 58 Jahren ein Ende setzte.
Der Weg dorthin begann in noch selbstbewusster Weise als er wegen seiner republikanischen Ideen, vor allem aber seinem ausgeprägten Freiheitsdrang die ihm – und Honoré Daumier – von Napoleon III. im Jahr 1870 vorgeschlagene Ehrung mit dem Kreuz der Ehrenlegion ablehnte. Die Beiden vertraten die Ansicht, dass der Staat keinen Einfluss auf künstlerische Belange nehmen sollte. Diese Haltung brachte Courbet im republikanischen Lager viele Freunde ein. Bereits im Jahr 1869 hatte man ihn zum Präsidenten der Republikanischen Kunstkommission gewählt gehabt und nun im Jahr 1870 nach dem Sturz der Regierung zum Stadtrat und damit zum Mitglied in der Pariser Kommune. Er hatte dort allerdings wie zuvor lediglich Aufgaben im musealen und künstlerischen Bereich inne, was die Verwaltung der Monumente von Paris mit einschloss und ihm Gelegenheit gab, das Krieg verherrlichende und Unterdrückung feiernde Symbol des Kaisertums unter Napoleon I. – die Colonne Vendôme – abreisen zu lassen.
Nach der gewaltsamen Auflösung der Kommune durch die Truppen des monarchistischen Versailles wurde Courbet wegen seiner Beteiligung an der Zerstörung der Colonne Vendôme zu sechs Monaten Gefängnis und 500 Francs Geldstrafe verurteilt. Er verbüßte die Strafe im Gefängnis von Sainte-Pélagie in Paris, durfte dort aber malen. Sein Gesundheitszustand verschlimmerte sich in den folgenden Jahren. In der Klinik von Neuilly malte er 50 Bilder, die er allesamt verkaufen konnte.
Im Mai 1873 verlangte die neue französische Regierung Schadenersatz für die zerstörte Colonne Vendôme in Höhe von 335.000 Francs; er floh mit seinem Schüler und Assistenten Cherubino Patà in die Schweiz, in den ihm vertrauten Jura und dann an den Genfersee, ohne Hoffnung, die geforderte gewaltige Summe durch den Verkauf von Bildern aufzubringen. Während seines Exils beschlagnahmte der französische Staat seinen Besitz. Er, seine Freunde und auch seine Familie wurden überwacht.
In La Tour-de-Peilz verlebte er seine letzten Jahre, immer in der Hoffnung auf Schuldenerlass. Gustave Courbet schuf kaum noch Werke, die seiner würdig wären, und verfiel zunehmend dem Alkohol. Zwar beteiligte er sich noch an Kunst-Ausstellungen in Genf, Lausanne, Neuenburg und anderen Orten der Schweiz, versuchte aber durch eine Art industrieller Nutzung seiner Malkunst wenigstens einen Teil seiner Schulden loszuwerden. Doch Geldsorgen und gerichtliche Verfahren ließen ihn nicht mehr los.
Schließlich litt er an Herzinsuffizienz sowie Wassersucht und starb am 31. Dezember 1877. In La Tour-de-Peilz wurde er auch beigesetzt. Seine sterblichen Überreste wurden genau 100 Jahre später nach Ornans überführt. [Wikipedia - Gustave Courbet]
Courbet und die Vendôme-Säule.
Ein Zeitzeugenbericht von Paul d’Abrest (1850-1893) in der Zeitschrift "Die Gartenlaube", Heft 9, S. 148-150 , 1878
Die gußeiserne Cigarre mit dem Männchen im römischen Triumphatormantel steht wieder mitten auf dem für sie bestimmten Platze, und jener Mann, der an derselben rüttelte, liegt unter der kühlen Erde eines poetischen schweizer Friedhofes am Leman-See. Wie der Maler Courbet, der oft genannte Vertreter der äußersten Linken in der realistischen Kunstrichtung, dazu kam, gegen die Säule einen solchen Hass zu fassen, ist vom doppelten Standpunkt, vom politischen wie vom künstlerischen, erklärlich.
Politisch wurde Courbet durch die Lobeserhebungen, welche seine Weigerung, das Kreuz der Ehrenlegion anzunehmen (1870) hervorrief, berauscht und fühlte sich berufen, seinen Republikanismus durch eine Thatsache zu bekräftigen. Aesthetisch machte ihn die unliebsame Säule nervös dadurch, daß er sie beständig vor Augen hatte, denn nach dem 4. September 1870 wurde Courbet mit der Oberaufsicht der Museen betraut und thronte in dem reichgeschmückten Cabinet im Louvre-Palais.
Trat er nun nach beendigter Arbeit oder nach einer erhitzten ästhetischen Debatte an’s Fenster seines Cabinets, so traf sein Blick die Vendôme-Säule, jene im Jahre 1807 zur Verherrlichung der Thaten der „großen Armee“ errichtete bronzene Cigarre, die sehr ungraziös den circusförmigen Vendôme-Platz verunstaltete. Sowohl das unästhetische Denkmal, wie das Standbild Napoleon’s des Ersten machten den Künstler Tag für Tag nervöser; er wurde als Nachbar der persönliche Feind der Vendôme-Säule. Sein Unmuth äußerte sich bereits am 14. September in einem Briefe an die Nationalregierung, in dem er sich anheischig machte, die betreffende Säule zu stürzen. Die Nationalregierung ließ diesen Antrag ohne allen Bescheid, aber in den Augen der gegen den Bonapartismus aufgebrachten Menge stieg noch die Popularität Courbet’s. Es war sehr bescheiden von ihm, wenn er nicht einen directen Antheil an der Regierung forderte und sich mit Huldigungen begnügte, die ihm gelegentlich einiger „Vorlesungen“ in reichlichem Maße zu Theil wurden. Nun erhitzte der Maler sich immer gewaltiger; er erließ einen Aufruf „an die deutschen Künstler“; das gab einer Kanone seinen Namen etc. etc. So nahte der für Courbet verhängnisvolle Zeitpunkt der Commune.
Als die Commune ausbrach, gehörte es keineswegs zu den zwölf Herculesarbeiten, sich einen Sitz in dieser dictatorischen Versammlung zu verschaffen. Es genügte, zu der rothen Fahne zu schwören und sich der Empfehlung eines der patentirten Volkstribunen zu erfreuen. In der Eile wurden ja sogar Fremde gewählt, und da die von Panik ergriffenen conservativen Elemente sich nicht aufzuraffen wagten, so siegten die meisten der Erwählten allein, ohne Kampf und ohne Gegner. Man erklärt sich’s also leicht, wie Gustav Courbet, der in den Augen der aufrührerischen Pariser von einem doppelten Heiligenschein umgeben war, nämlich von dem seiner Weigerung der Ehrenlegion gegenüber und von dem seines Antrages bezüglich der Vendôme-Säule, in das Stadthaus gelangte. In dem revolutionärem Convetikel war die Zerstörung der Vendôme-Säule stets sein letztes Wort. Er hatte durchaus keine Ruhe, bis die Commune ein förmliches Decret erließ, welches dem heißesten Wunsche Courbet’s gesetzliche Kraft verlieh. Courbet selbst wurde beauftragt, die Arbeiten zu leiten, und er entledigte sich seiner Aufgabe mit jener Gewissenhaftigkeit, die man gewöhnlich auf Arbeiten verwendet, bei welchen das Herz ist. In der That, während draußen Tag und Nacht aus Hunderten von Kanonen der Grimmbaß kriegerischer Musik ertönte, sah man eines Morgens des wahrhaft wunderschönen Monat Mai 1871 eine Abtheilung Arbeiter – mit dem damals unvermeidlichen Nationalgarde-Käppi auf dem Kopfe – vom Vendôme-Platz Besitz ergreifen und ein hölzernes Gerüst errichten, welches nach und nach bis hoch hinauf ragte zur Lorbeerkrone des in Erz gegossenen Cäsar’s. Mit jedem Tage schritt die Arbeit vorwärts, und bald ertönten hinter den hölzernen Verhauen bedeutsame Hammerschläge und das beständige Geräusch der Säge, die tief in die metallene Kruste und dann in die Gypsmasse biß. Die ganze Säule sollte in „Portionen“, querdurch, von oben nach unten, ungefähr wie ein Baumkuchen geschnitten werden; darauf sollte der untere Theil vom Postament radical losgesägt werden – drauf ein mächtiger Ruck, und die in Scherben zersplitterte Säule sollte der Länge nach auf das Pflaster der Rue de la Paix fallen.
In der Stadt hatte man geglaubt, die Commune werde sich begnügen, das verherrlichende Denkmal des Kaisers theoretisch in den Bann zu thun – der alte chauvinistische Geist lehnte sich selbst bei vielen Revolutionärgesinnten gegen die Zerstörung dieses Zeugnisses französischen Ruhmes auf; als jedoch kein Zweifel mehr gestattet war, da wälzte sich alles dem Vendôme-Platz zu. Es begann eine förmliche Procession Neugieriger, welche sich mit eigenen Augen von dem überzeugen wollten, das ihnen unglaublich erschienen war. Meister Courbet verfehlte nicht, alle Nachmittage seinen Verdauungsspaziergang nach genossenem Frühstück in der Richtung nach der Rue de la Paix einzuschlagen. Die Hände hinter dem breiten Rücken und auf dem Kopfe ebenfalls die Nationalgarde-Kappe, besichtigte er die Arbeit und fand Wohlgefallen an seinem Werke.
Der Hauseigenthümer der Rue de la Paix, einer der reichsten Straßen von Paris, hatte sich indessen eine gelinde Panik bemächtigt. Man besorgte das Aergste von dem gewaltsamen Fall der ungeheuren Erz- und Steinmasse. Die schönen Häuser alle, insofern sie nicht schon ohnedies von ihren Bewohnern (der Geburts- oder der Geld-Aristokratie angehörend) verlassen worden waren, standen öde. Demjenigen, der in ruhigen Tagen die doppelte Fronte der bis spät in den Abend hinein illuminirten Prachtläden der Straße mit ihren Schätzen an Schmuck-, Kunst- und theuersten Toilettengegenständen in den Auslagekästen gesehen hatte, der sich der langen Reihen von Equipagen erinnerte, die vor jedem Thore auf ihre Gebieter harrten, dem mußten die hermetisch geschlossenen Läden, die vor den bogenförmigen Fenstern überall herabgelassenen Jalousien desto unheimlicher vorkommen. So nahte der für die „Execution“ der Vendôme-Säule festgestellte Tag heran. Es war der 15. Mai – gut, daß die Herren von der Commune sich beeilten, denn wenige Tage darauf war die ganze Tragi-Posse der Commune im Blute erstickt und die Rothhosen campirten auf dem Platze.
Die Aufregung hatte in Paris ihren Siedepunkt erreicht; alle Gemüther waren in Wallung, und der Pulsschlag überstieg um das Dreifache das normale Maß. Der Kampf unmittelbar vor den Thoren wüthete wachsend von Stunde zu Stunde. Gewisse Quartiere waren mit Bomben, Granaten und Shrapnells hageldicht überschüttet. – Durch die Straßen bewegten sich endlose Leichenzüge, und gerade am Tage vor dem Umsturz der Säule hatte die Sprengung einer Munitionsfabrik in der Nähe des Invalidenhauses allgemeine Panik verbreitet. Unter solchen Umständen und bei dieser Musik, zu der sich noch die Banden zweier Nationalgarde-Bataillone gesellte, wurde das Decret zur Wahrheit.
Die Sache ging nicht ohne Störung von Statten. Bereits um ein Uhr hatten sich die mittelst specieller Karten zu dem Feste Geladenen eingefunden; fast sämmtliche Mitglieder der Commune, die insurrectionelle Generalität etc. hatten auf dem Balcon der Commandantur von Paris – das Gebäude steht am Vendôme-Platze – Posto gefaßt, und erst um halb sechs Uhr Nachmittags gelang es, nachdem zwei Kabelstricke gerissen waren, das ungeheuere Monument zum Falle zu bringen. Der Platz und die Rue de la Paix waren mit einer dichten Strohschicht, darunter als Grundlage ein Portion Dünger, besäet; auf diesem sonderbaren Bette zerstückelte sich in hundert Bestandtheile die der französischen „Gloire“ errichtete Säule. – Die Statue des Imperators wurde durch den Sturz enthauptet, aber der Rumpf blieb völlig unversehrt. Die einzelnen Bestandteile der Säule wurden so sorgfältig zusammengelesen, daß ein Jahr darauf, als zur Wiederherstellung des Denkmals geschritten wurde, kein einziges Stück fehlte.
Nach dem Vorbild der antiken Trajanssäule in Rom war die Vendôme-Säule von Napoleon I. im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts zur Verherrlichung der siegreichen französischen Soldaten errichtet worden, welche die russisch-österreichische Allianz in der Schlacht von Austerlitz besiegt hatten. Die sechsundsiebzig Basreliefs mit Schlachtszenen, die sich spiralförmig den Schaft hinaufziehen, wurden aus der Bronze von 250 erbeuteten russischen Kanonen gegossen. Louis-Philippe krönte die Säule 1833 mit einer Napoleon-Statue, und Napoleon III. ersetzte sie dreißig Jahre später durch eine andere, die Napoleon in römischer Kleidung zeigt.
Nachdem das Zertrümmerungswerk vollendet worden war, spielten die Musikbanden die Marseillaise, Volkstribunen, an welchen man damals keinen Mangel litt, bestiegen das Postament und redeten das Volk an; noch in der Nacht wurden die Trümmer aus Erz und Stein vom Boden aufgelesen; das Auge erfreute sich einer freien Aussicht über den ganzen Vendôme-Platz bis zu den grünen Anlagen des Tuilerien-Gartens.
Acht Tage später war Paris in der Gewalt der Versailler Truppen, und massenhafte Erschießungen vor dem Postament der Säule sollten den Act vorläufig - sühnen. Vierzehn Tage darauf war der Urheber des Säulenumsturzes verhaftet. Er wagte es nicht, wie Felix Pyat, wie Jules Valle und Andere, verkleidet entkommen zu wollen; er zog ein, wie er hoffte, unverletzliches Versteck bei einer Freundin vor. Aber die Spionage war in dem mit stürmender Hand genommenen Paris noch hundertmal wachsamer als in der ärgsten Periode des alten Venedig. Verrath oder Mangel an Vorsicht brachten die geheimen Unterkünfte zur Kenntniß der Behörde. Diese, fest überzeugt, daß der Vogel im Nest sei, hielt eine so gründliche Hausdurchsuchung, daß Courbet, der sich in einem absichtlich gegrabenen Loche in der Mauer verborgen hielt, entdeckt wurde. Zum Märtyrer war derjenige, den die republikanischen Blätter bei Gelegenheit der Eidesverweigerung mit allen republikanischen Tugenden ausgeschmückt hatten, nicht geschaffen. An allen Gliedmaßen schlotternd, leichenblaß wurde Courbet dem Militärgefängniß in Versailles eingeliefert, wo er in eine Krankheit verfiel, welche durch die betrübende Meldung des Todes seiner alten Mutter und einer in seiner Vaterstadt Ornans gegen ihn gerichteten Demonstration bedeutend verschlimmert wurde.
Nach zweimonatlicher Untersuchungshaft, die er theils in einer finsteren Zelle (er portraitirte sich selbst darin ab), theils in dem Lazareth des Gefängnisses zubrachte, hatte sich Courbet vor dem Kriegsgerichtshof in Versailles zu verantworten. Die Sitzungen dieser rothhosigen, unbarmherzigen Vehme fand in der Reitschule der Cavalleriecaserne statt, einem ungeheueren, sehr hohen Raum, von dem kaum ein Drittheil durch das Tribunal, die Angeklagten, die Advocaten, die Vertreter sämmtlicher Journale und einige hundert Zuschauer in Anspruch genommen wurde. Die zwei übrigen Drittheile des Locals blieben frei, und es hätten sich wie gewöhnlich Pferde und Reiter darin tummeln können. Die Angeklagten - es gab deren elf, sämmtlich Mitglieder der Commune - hatten neben ihren Sachwaltern auf einer Estrade Platz genommen, die sich schräg gegenüber den Reporterbänken befand. Ich hatte daher alle Muße, während der langwierigen Verhandlungen die Physiognomien der verschiedenen Angeklagten zu studiren. Courbet saß in der zweiten Reihe; seine körperliche Beleibtheit hatte eher zu- als abgenommen, aber sein Gesicht trug die Spuren arger Strapazen und einer tiefen Erregung.
Im Ganzen befleißigte er sich einer gleichgültigen Haltung und blickte drein, als wäre er der ganzen Verhandlung, bei der es sich doch um seinen Kopf handelte, fremd. In seiner Kleidung hatte er eine Sorgfalt affectirt, die ihm sonst nicht angeboren war; ein sehr behäbig aussehender schwarzer Tuchrock mit schwarzer Hose bildete seinen Anzug; das Haar war - bei dem Chef der Realisten ein Unicum - gekämmt und der Bart beinahe gepflegt.
Der Präsident des Gerichtshofes war Oberst Merlin vom Geniecorps, ein Officier mit offenen, beinahe sympathischen Zügen, und mehr eine gelehrte Erscheinung in Uniform als ein rauher Kriegsmann. Oberst Merlin war dazu ein Kunstliebhaber und hatte Sympathie gerade für die von Courbet vertretene Richtung. Der Advocat des Malers und einige Freunde hatten dies herausgefunden – der Genieoberst wurde von dem Augenblicke dieser Entdeckung an förmlich bestürmt mit Bittschriften, Briefen, voll von Erörterungen über das Maß der Verantwortlichkeit und Zurechnungsfähigkeit eines Künstlers, von Hinweisen auf den großen Revolutionsmaler David, der, obwohl der Freund Robespierre’s und mit diesem arg compromittirt, nichts destoweniger von allen Verfolgungen verschont blieb, weil man dem Lande ein Talent erhalten wollte. Oberst Merlin war offenbar als Liebhaber und Parteigänger der realistischen Richtung von diesem Standpunkte frappirt; man erkannte dies schon an der höflichen Behandlung des Angeklagten, auf dessen Haupte nicht weniger als drei inhaltsschwere Anklagepunkte lasteten. Er war bezichtigt:
1) der Theilnahme an einem Anschlage, dessen Zweck die Aenderung der Regierungsform und die Aufreizung der Bürger zum Kampfe gegen einander;
2) der Usurpirung öffentlicher Aemter;
3) der Mitschuld an der Zerstörung der Vendôme-Säule, eines von der Regierung errichteten öffentlichen Denkmals.
Der Präsident Merlin bittet: „Monsieur Courbet, stehen Sie gütigst auf! Zu welcher Zeit sind Sie der Commune beigetreten?“
Courbet antwortet: „Am 27. April.“
Präsident: „Sie mußten doch über die Vorgänge in dieser Versammlung genügend unterrichtet sein?“
Courbet: „Ich hielt es für meine Aufgabe, die Pflicht zu erfüllen, die ich mir auferlegt hatte, Frieden zu stiften.“
Präsident: „Und was haben Sie in diesem Sinne gethan?“
Courbet: „Alles, was ich thun konnte.“
Präsident: „Die Thatsachen sind da.“
Courbet: „Ja, als ich in die Commune trat, war das Unheil schon geschehen.“
Präsident: „Aber Sie hätten der Commune nicht beitreten sollen.“
Courbet: „Ich glaubte, daß Aussicht vorhanden wäre, Paris als kriegführende Macht anzuerkennen.“
Präsident: „Eine verrückte Aussicht!“
Courbet giebt nun einige Auskünfte über die von ihm getroffenen Schutzmaßregeln zu Gunsten der Hauptstadt in den öffentlichen Palais und Museen. Er will auch bei der Zerstörung des Palastes des Herrn Thiers nur anwesend gewesen sein, um jene Gegenstände, die für Herrn Thiers besonderen Werth hatten, zu retten. Der Oberst Merlin ertheilt dem Maler eine beinahe väterliche Lection. „Sehen Sie,“ sagt er, „was daraus werden kann, wenn einmal die Gesetzlichkeit überschritten wird; es ist unmöglich, das aufgelehnte Volk in seinem Wahne aufzuhalten.“
„Es giebt Dinge, die man nicht verhindern kann,“ antwortet Courbet stumpf.
Dann berührt der Präsident die Angelegenheit der Säule.
„Schon am 14. September hatten Sie die Zerstörung dieses Denkmals beantragt. Es war Ihnen besonders unangenehm, wie?“
Courbet: „Nach dem 4. September hatte man alle an das Empire erinnernde Gegenstände entfernt. Die Statue mit dem kleinen Hut war in die Seine geworfen worden; man hatte den ‚Napoleon den Dritten als Cäsar‘ bei der Brücke der Saints Pères, die ‚N‘ und andere Abzeichen an den öffentlichen Gebäuden weggenommen. Die Säule verdunkelte den Vendôme-Platz und hatte keinen künstlerischen Werth.“
Präsident: „Die Säule war zur Verherrlichung des Ruhmes unserer Waffen errichtet worden.“
Courbet: „Von diesem Standpunkte aus hatte ich nichts daran auszusetzen aber es fehlte dem ganzen Monument an den richtigen Verhältnissen, an Perspective.“
Der Präsident unterbricht diese ästhetische Erörterung, indem er an Courbet einige neue Fragen über dessen politische Rolle während der Commune richtet, aus welchen hervorgeht, daß sich der Angeklagte um dasjenige, was um ihn herum vorging, sehr wenig kümmerte. Das Zeugenverhör, welches nun folgte, war im Ganzen dem Maler günstig; nur eine einzige unbedeutende Persönlichkeit wollte Courbet am Tage der Zerstörung der Vendôme-Säule auf dem Platze gesehen haben. Der wundeste Punkt, die Betheiligung an der Zerstörung des Hauses Thiers’, wurde so ziemlich bei Seite geschoben, und Meister Lachaud, der melodramatische Vertheidiger, zu dem alle Raubmörder, Giftmischer und ärgsten Schurken ihre Zuflucht nehmen, bewegte sich auf einem wohlvorbereiteten Boden. Der Komödiant in der Toga war noch pathetischer als sonst, fuchtelte mit seinen Armen wie mit ein paar Windmühlen in der Leere und weinte bitterlich. Er warf den 4. September und alles damit Zusammenhängende über Bord und sonderte seinen Clienten von den übrigen Angeklagten ab. Er behauptete die vollständige Unzurechnungsfähigkeit desselben, und um ihn zu retten, bezeichnete er ihn als einen völlständigen Tölpel. Courbet ließ es geschehen, der Ehrgeizige, was sonst Keiner duldete. Aber er dachte sehr klug: besser als Schwachkopf in Freiheit, denn als routinirter Politiker im neucaledonischen Carcer.
Ein Intermezzo bezeichnete das Plaidoyer Meister Lachaud’s. Der Advocat, um die Weigerung besonders zu rechtfertigen, behauptete, Courbet habe es für gerecht gehalten, daß nur die Militärs mit dem Zeichen der Ehre geschmückt würden, und an diese seltsame Auslegung knüpfte Meister Lachaud eine höchst bombastische Verherrlichung der Officiere, die allein würdig wären, einen Orden zu tragen. Oberst Merlin, die Beisitzer, das Publicum, Alles lächelte. Lachaud wird dessen gewahr; er sieht seinen Effect zerstört und wirft scheue Blicke um – und glücklicher Weise auch auf sich. Da merkt er endlich auf dem schwarzen Tuch seiner Toga den glitzernden Stern der Legion d’honneur, eine Gunstbezeugung Napoleon’s des Dritten, der für den anerkannten Vertreter aller Schinderhannes eine gewisse Schwäche hegte. Welch ein Widerspruch zwischen den eben ausgedrückten Theorien und der Thatsache dieses Ordens auf einer nicht militärischen Brust! Doch schnell besinnt sich Meister Lachaud; er wird noch pathetischer, als sonst.
„O! meine Herren,“ ruft er aus, „Courbet hat damals Unrecht gethan, den Orden zu verweigern – denn wenn unsere Dienste auch nicht so ersprießlich und weittragend sind, wie die Ihrige, so steht es uns schlecht an, die Anerkennung derselben zu verweigern.“
Man lächelte über die schlaue Redewendung. Zwei Tage darauf wurde das Urtheil verkündet. Die Sentenz lautete für mehrere der Angeklagten auf den Tod, für die meisten auf lebenslängliche Deportation. Courbet kam mit sechs Monaten Gefängniß davon. Die Theorie der Unverfänglichkeit der „großen Kinder“ und der Humanität für den Künstler hatte den Sieg davongetragen. Sein halbes Jahr saß Courbet in St. Pelagie ab, wo er recht emsig arbeitete und unter Anderem, ein neues Fach der Malerei betretend, einen Haufen Aepfel malte, keine Conventionalfrüchte, sondern wirklich ähnliche normannische Aepfel, aus welchen der herbe und kräftige Cider gepreßt wird.
Mit dieser geringen Strafe war jedoch die Rechnung des Malers mit dem Staate nicht abgeschlossen. Die wüthende Reaction hätte den „Maitre d’Ornans“, den Zerstörer der Vendôme-Säule, so gern nach dem fernen Cayenne spedirt, wo der Pfeffer wächst. Man konnte aber das souveraine Urtheil des Gerichtshofes von Versailles nicht verschärfen; es gab indessen noch Mittel, wenn nicht der Person, wenigstens dem Beutel des so milde Verurtheilten beizukommen. Zuerst mußte er die gesammten Proceßkosten vergüten, da sämmtliche Angeklagte solidarisch in dieselben verurtheilt wurden und Courbet der Einzige bei Cassa war. Dann verfolgte der Fiscus mit einer seltenen Gier die Eintreibung der Wiederherstellungskosten der Vendôme-Säule – die Bilder, das Baargeld des Malers, die von ihm auf der Bank deponirten Werthpapiere, Alles wurde mit Beschlag belegt. Courbet, der wohl mit Recht an seinem Erwerbe festhielt, transportirte seine Person und sein Atelier nach der Schweiz; er hoffte, daß die Geier des französischen Fiscus ihre Krallen nicht bis dahin ausstrecken würden.
Im Laufe des Sommers 1876 traf ich den Chef der realistischen Schule auf dem Schützenfeste in Lausanne. Der Zufall führte uns gegenüber bei dem Festessen unter der landesüblichen Cantine. Der „Maitre d’Ornans“ war höchst verwahrlost und sehr gealtert. Er war von Enthusiasmus erfüllt für die republikanischen Einrichtungen der Schweiz, für die nationalen Feste – leider aber auch für den heimtückischen schweizer weißen Wein. Er, an starke Getränke gewöhnt, absorbirte davon ungeheure Massen – bis zum Tode. Die Geldverluste, welche er erleiden mußte, nahm er sich vielleicht mehr als nothwendig zu Herzen, denn es wäre ihm wohl ein Leichtes gewesen, mittelst seines Pinsels sich ein bedeutendes neues Vermögen zu erwerben. Aber seine Malerkraft war gebrochen und als ihn der Tod in seinem Atelier in Latoux de Palzeralte traf, glich er bereits einem geistig Gestorbenen.
Franz Skarbina (1849-1910), war ein deutscher Maler aus Berlin.
Auf der Suche nach Geschichten von und um Weihnachtsmärkte, und vor allem der Weihnachtsmärkte selbst, bin ich auf ein kleines Meisterstück gestoßen: Weihnachtsmarkt Berlin. Die Werke des Meisters selbst waren in Deutschland sehr beliebt und verkauften sich auch gut ins Ausland, wie nach Frankreich, wo er auch oft lebte.
Franz Skarbina wurde als Sohn des Goldschmieds Nikolaus Skarbina aus Agram, dem heutigen Zagreb, und der Henriette Eleonore Kayser, Tochter eines Wappenmalers im Haus Spittelmarkt 11/12 in Berlin geboren.
Eigene Ateliers unterhielt er in der Prinzenstraße 21 (1869) und Leipziger Platz 3 (1880). Ab Februar 1893 hatte er Atelier und Wohnung in der Königin-Augusta-Straße 41. Dort wohnte auch sein Schüler Paul Hoeniger.
Skarbina zeichnete sich zeitlebens durch einen ausgeprägten Wirklichkeitssinn aus, weshalb auch seine künstlerische Entwicklung vorwiegend vom Realisten Adolph Menzel beeinflusst wurde.
Heute noch bekannt ist das Bild 'Berliner Weihnachtsmarkt'. Das Bild zeigt Menschen von hinten und Weihnachtsmarktstände vor dem Hintergrund Berliner Wohnhäuser in einer Grünanlage, wobei die Grünflächen - wie heute - von niedrigen schmiede eisernen Metallstangen von der Gehfläche getrennt sind. Über den Ständen zieht Rauch und der Farbton der insgesamt entfernten Gesichter ist rötlich.
Der Post-Impressionismus
Post-Impressionismus ist eine Sammelbezeichnung für verschiedene Stile der Malerei, die zwischen 1880 und 1905 auf den Impressionismus folgten. Anstelle des Post-Impressionismus sind auch die Benennungen Nach- bzw. Spätimpressionismus gebräuchlich. Schwerpunkt der Entwicklung war Frankreich. Der Post-Impressionismus wurde innerhalb Frankreichs vom Fauvismus abgelöst.
Durch die Impressionisten war in den 1870er Jahren eine deutlich veränderte Auffassung von Kunst sichtbar geworden, ein erster Schritt auf dem Weg zur Kunst der Moderne. Die Spätimpressionisten verfolgten diesen Weg weiter, entwickelten aber zur Spontaneität und Virtuosität ihrer Vorgänger neue Ordnungsvorstellungen. Die Tendenz war, das Bild immer deutlicher als eine selbstständige Kunstform aufzufassen. Es sollte zu einem Gegenstand reiner Darbietung von Farbe und Form werden, die auf den ästhetischen Genuss und die Übermittlung subjektiver Empfindungen des Künstlers zielte. Der Betrachter wird so dazu aufgefordert, die sinnliche Erfahrung von Farben und Linien höher zu bewerten als den natürlichen Anschein der Dinge, dem immer weniger Bedeutung beigemessen wurde.
In Deutschland entwickelte sich durch einen vom Deutschen Reich in Persona Otto von Bismarcks und Kaiser Wilhelms II. vorgelegten Militarismus in der Berliner Gesellschaft ein an den Heroismus der Napoleonischen Zeit anknüpfenden deutsch-heimelnden Militärstil, der sich in Darstellungen von Kriegsgerät, insbesondere der neuen Kriegsflotte Kaiser Wilhelms, aber auch in Präsentation deutscher Marksteine der Geschichte bis hin zu Schlachtendarstellungen äußerte.
Skarbina löste sich von dieser in der Berliner Akademie der Künste vorherrschenden Stilrichtung mehr und mehr. 1893 wurden erstmals in Deutschland Werke aus Frankreich auf der Münchener Ausstellung gezeigt. Aber auch das nahmen die deutschen Impressionisten nicht zum Anlass, das Geschehen in Frankreich als Vorbild zu nehmen. Chronologisch fällt der deutsche Impressionismus auf den französischen Spätimpressionismus.
1892 gehörte er zusammen mit Max Liebermann und Walter Leistikow zu den Gründern der Elfergruppe in Berlin, wo im selben Jahr ein Skandal um eine Munch-Ausstellung ausbrach. 1893 war er wieder in Nordfrankreich und Holland. 1895 wurde er Mitglied des Vorstands der Zeitschrift Pan.
1898 war er Mitbegründer der Berliner Sezession, kehrte aber 1902 in die Berliner Künstlervereinigung zurück und erhielt auch offizielle Aufträge. Ebenfalls 1898 wurde er korrespondierendes Mitglied der Wiener Sezession und nutzte so die dortigen Ausstellungsmöglichkeiten.
In seine Bilder überwiegen gedeckte Farben. Die Szenen zeigen wenig Licht, häufig sind die Motive Nachts oder in der Abendstimmung zu sehen. Er vermeidet Details in Gesichtern ebenso wie die zu exakte Darstellung von natürlichen Elementen.
Carl Hilgers (1818-1890), war ein deutscher Maler aus Düsseldorf.
Im Alter von elf Jahren erhielt Hilgers, Sohn von Martin Hilgers (1764–1869), bereits ersten Unterricht an der Kunstakademie Düsseldorf, wo er von 1833 bis 1844 als eingeschriebener Student auch offiziell studierte.
Als Schüler des Landschaftsmalers Johann Wilhelm Schirmer verblieb er weitere Jahre in dessen Meisterklasse.
Nach einem vierjährigen Zwischenaufenthalt in Berlin kehrte er nach Düsseldorf zurück. Dort war er Mitglied im Künstlerverein Malkasten. Neben anderen Malern der Düsseldorfer Schule war er mit dem rheinischen Maler Caspar Scheuren befreundet.
Er war seinerzeit bekannt für seine in recht großer Zahl im Düsseldorfer Stil gemalten Winterlandschaften. Nach seinem Tod verblasste sein Ruhm. Eine Rezeption findet heute kaum noch statt, seine Werke tauchen gelegentlich in Auktionshäusern auf.
Er hielt sich häufig am Niederrhein auf und in den Niederlanden, wo er viele seiner Motive fand. Beispielhaft ist eines seiner Landschaftsgemälde mit einer niederländischen Windmühle - vermutlich aus dem Jahr 1853.
Die Romantik
Mitte des 19. Jahrhunderts richtete sich das Interesse des Publikums verstärkt auf die Landschaftsmalerei. Angeregt durch Schriften Jean-Jacques Rousseaus, in denen eine neue Sensibilität für die Natur und deren Wirkung auf die seelische Verfasstheit des Menschen erkennbar ist, sahen Dichter und Künstler der Romantik in der Natur einen Quell leidenschaftlichen Gefühls und eine metaphysische Dimension.
Nach der Infragestellung von überkommenen Glaubensgewissheiten im Zeitalter der Aufklärung suchten Maler wie Caspar David Friedrich in der Natur und der Landschaft einen transzendentalen Bezug.
Nach dem Verlust alter Ideale sollte es Aufgabe der Kunst sein, Utopien sichtbar zu machen und ein neues Leit- und Idealbild herzustellen. Als beispielhaft gilt hier sein Tetschener Altar von 1808, der in literarischen und philosophischen Kreisen eine heftige Grundsatzdebatte über eine mögliche religiöse Funktion von Landschaftsbildern auslöste.
Romantische Landschaften zielen auf die Auslösung emotionaler Prozesse, auf eine Bildmagie, die einen inneren Dialog zwischen Betrachter und Bild bewirken soll.
John Constable ist am 11. Juni 1776 in East Bergholt, Suffolk geboren und am 31. März 1837 in London-Hampstead gestorben. Er war ein Vertreter der romantischen Malerei (Landschaftsmalerei) in England. Sein Werk lebt aus der Spannung zwischen genauer Naturbeobachtung (z. B. Himmels- und Wolkenstudien) und der Vernachlässigung der Linie zugunsten der Farbwirkung. Neben vielen Landschaftsbildern malte er auch Porträts, Pferde und Stillleben.
John Constable wurde als viertes von insgesamt sechs Kindern des Ehepaars Golding Constable und seiner Frau Ann Constable in East Bergholt in Suffolk geboren. Ab 1783 besuchte er verschiedene Grundschulen und ab 1792 arbeitete er zunächst im Betrieb seines Vaters, der mit Getreide, Kohle und anderem handelte.
In seiner Jugend unternahm Constable Reisen in die umliegende Landschaft von Suffolk und Essex um amateurhafte Skizzen anzuferigen. Diese sollten später einen Großstock seiner Kunst bilden. “Diese Szenen haben mich,” wie er selbst sagte, “zum Maler gemacht, und dafür bin ich dankbar”; “das Geräusch von Wasser, das aus Mühlendämmen entweicht, Weiden, alte verfaulte Bretter, schleimige Pfosten und Mauerwerk, ich liebe solche Dinge”. Er wurde George Beaumont, einem Sammler, vorgestellt, der ihm sein wertvolles Gemälde Hagar und der Engel von Claude Lorrain zeigte, das Constable inspirierte. Später, als er Verwandte in Middlesex besuchte, wurde er dem professionellen Künstler John Thomas Smith vorgestellt, der ihn in der Malerei beriet, ihn aber auch dazu drängte, im Geschäft seines Vaters zu bleiben, anstatt sich professionell der Kunst zu widmen.
Eines seiner bekanntesten Bilder ist daneben “Salisbury Cathedral from the Bishop’s Grounds” (Die Kathedrale von Salisbury vom Bischofsgelände aus), die Eingangs gezeigt ist. Es ist ein Landschaftsgemälde aus dem Jahr 1823. Dieses Bild der Kathedrale von Salisbury stellt eine der berühmtesten mittelalterlichen Kirchen Englands dar und wurde von einem seiner engsten Freunde, John Fisher, dem damaligen Bischof von Salisbury, in Auftrag gegeben. Die Version des Gemäldes von 1823 befindet sich seit seiner Schenkung im Jahr 1857 in der Sammlung des Victoria & Albert Museum in London.
Gegen 1794 verließ er seine Heimat und ging zusammen mit einem Angestellten seines Vaters nach Norfolk, um professionell zu zeichnen. Ab 4. März 1799 belegte er als Proband in die Royal Academy in London einige Klassen in Stillleben- und Anatomiezeichnen, wo er auch die alten Meister studierten konnte. Er lernte diese zu kopieren. In der Zeit seines Studiums ist er unter anderem von Bildern der Künstler Thomas Gainsborough, Claude Lorrain, Peter Paul Rubens, Annibale Carracci und Jacob van Ruisdael inspiriert worden. Im Mai 1802 entstanden mehrere Zeichnungen von Windsor Castle. 1803 hatte er seine erste Ausstellung in der Royal Academy. Im selben Jahr kaufte Constable ein Atelier in East Bergholt. Im Jahr 1806 entstanden Skizzen von zwei Töchtern der Familie Cobbold, welche die ersten einer Serie von über hundert Bildern werden sollten. Als Materialien verwendete er vorallem Bleistift, Tusche und Tinte sowie als Aquarell. Die Zeichnungen zeigen meist junge attraktive Frauen in häuslicher Umgebung, lesend, sich unterhaltend, schlendernd, tanzend oder posierend in anmutiger Haltung, einzeln oder in kleinen Gruppen.
Im April verbrachte er fast einen Monat an Bord der East Indiaman Coutts, die von London nach Deal segelte und dabei südöstliche Häfen besuchte. Im Jahr 1806 unternahm Constable eine zweimonatige Reise durch den Lake District.
Constable machte es sich zur Gewohnheit, den Winter in London zu verbringen und im Sommer in East Bergholt zu malen. 1811 besuchte er zum ersten Mal John Fisher und seine Familie in Salisbury, einer Stadt, deren Kathedrale und umliegende Landschaft ihn zu einigen seiner größten Gemälde inspirieren sollte.
Um über die Runden zu kommen, widmete sich Constable der Porträtmalerei und der Landhausmalerei und gelangte darüber mehr und mehr zur Landschaftsmalerei. Ein weiteres, sehr bekanntes Bild ist 'The Hay Wain'.
1821 wurde The Hay Wain' zum ersten Mal auf der Ausstellung der Royal Academy gezeigt. Obwohl es keinen Käufer fand, wurde es von einigen wichtigen Persönlichkeiten der damaligen Zeit begutachtet, darunter zwei Franzosen, der Künstler Théodore Géricault und der Schriftsteller Charles Nodier, die sich gerade auf einer Exkursion in England befanden.
Dem Maler Eugène Delacroix zufolge kehrte Géricault von Constables Gemälde “ziemlich überwältigt” nach Frankreich zurück, während Nodier vorschlug, französische Künstler sollten sich auch an der Natur orientieren, anstatt sich auf Reisen nach Rom zu verlassen, um sich inspirieren zu lassen. Das Gemälde wurde im selben Jahr auf dem Pariser Salon ausgestellt, wo es für Aufsehen sorgten. Dort wurde es von König Charles X. Philippe mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Hay Wain wurde 1886 der National Gallery geschenkt.
Théodore Géricault war ein französischer Maler der Romantik. Er wurde am 26. Sept. 1791 in Rouen geboren und starb am 18. Jan. 1824 in Paris. Er wird als früher romantischer Künstler eingestuft, obwohl er nur ein kurzes Leben hatte, das zahlreiche Mythen hervorgebracht hat. Sein berühmtestes Werk ist "Le Radeau de la Méduse" (1818-1819). Darüber hinaus ist er auch für seine Leidenschaft für Pferde bekannt, die er im Stall oder in Aktion auf den napoleonischen Schlachtfeldern darstellte. Neben seinen Ölgemälden schuf Géricault auch Lithografien, seltene, aber bemerkenswerte Skulpturen und Hunderte von Zeichnungen.
Der Vater des Malers, Georges-Nicolas (1743-1826), ein Magistrat und reicher Landbesitzer, betrieb eine Tabakfabrik. Seine Mutter, Louise Caruel (1753-1808), Tochter eines Prokurators des Parlaments der Normandie, entstammt einer alten und reichen normannischen Familie. Um 1796 zog die Familie Géricault nach Paris in der Rue de l’Université 96. Dort besuchte er ab 1806 als mittelmäßiger Schüler das Lycée Impérial, wo er den Pierre Bouillon als Zeichenlehrer hatte. 1808 starb seine Mutter.
Sein Onkel mütterlicherseits Jean-Baptiste Caruel de Saint-Martin (1757-1847), ein Bankier und Sammler, und seine Frau Alexandrine-Modeste de Saint-Martin (1785-1875), die 1807 geheiratet hatten, ermutigten Théodore Géricault eine künstlerische Ausbildung zu absolvieren.
Théodore Géricault studierte ab 1810 im Atelier des Malers Carle Vernet, der sich auf Jagdszenen spezialisiert hatte, und lernte dort dessen Sohn Horace Vernet kennen. Anschließend studierte er bei Pierre-Narcisse Guérin, bevor er sich am 5. Februar 1811 an der École des beaux-arts in Paris einschreiben ließ. Géricault kopierte im Musée Napoléon (Louvre) fleißig die von Napoleon I. gesammelten Gemälde, darunter italienische wie ‘Die Grablegung und die Himmelfahrt’ nach Tizian, französische nach Jean Jouvenet, Eustache Le Sueur, Rigaud, Prud’hon und flämische wie ‘Die Pest von Mailand’ nach Jacob van Oost, Porträts nach Rembrandt, Van Dyck oder Rubens. Géricault war ein begeisterter Kopist, der sich in den folgenden Jahren immer wieder mit dem Kopieren von Gemälden beschäftigte.
Als von Geburt an wohlhabend hatte Géricault keine Geldprobleme und musste seine Werke nicht verkaufen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
1814 verliebte sich Théodore Géricault in seine Tante Alexandrine, die nur sechs Jahre älter war als er. Géricault tritt in die Kompanie der grauen Musketiere von König Ludwig XVIII. ein. Während der Hundert Tage begleitet er den König nach Gent. Ende 1815 kehrte er nach Frankreich zurück, wo er von seinem Onkel Bonnesoeur-Bouginière versteckt wurde, den er damals porträtierte.
Für Jules Michelet malte Géricault in seinen Kursen 1817 am Collège de France den Untergang Frankreichs, dieses hoffnungslose Floß, auf den Wellen, der Leere zutreibend und zuwinkend, ohne Aussicht auf Hilfe. Dennoch erhielt Géricault den Auftrag für das Gemälde, mit dessen Ausführung er Delacroix beauftragte. Aus der Affäre mit Alexandrine, die bereits mehrere Jahre andauerte und sich für den Künstler als katastrophal erweisen sollte, ging am 21. August 1818 ein Sohn hervor, Georges-Hippolyte, der bei seiner Geburt als Sohn der 'guten' Suzanne und eines unbekannten Vaters angegeben wird. Nach Géricaults Tod sollte das Kind vom Vater des Künstlers, Georges-Nicolas, anerkannt.
Von der französischen Kritik zermürbt und im Streit mit seiner Familie verließ Géricault Paris und ging nach England, wo unter anderem das Gemälde “Das Floß der Medusa” ausstellte. Das Gemälde wurde von der englischen Presse - aus den umgekehrten Gründen wie die französische Kritik - und vom Publikum mit über 40.000 Besuchern bejubelt. Der englische Architekt Cockerill bezeugt in seinem Tagebuch seine Bewunderung für den französischen Maler und liefert darin ein Porträt des Malers, das Bewunderung für das Talent und die Bescheidenheit mit einem tiefen Gefühl des Mitleids verband, das ihm Sinn für Pathos und gleichzeitig die Kraft, für das Feuer und die Vitalität des Werkes mit Tiefgründigkeit und Melancholie zu gestand. Er bezeichnete das Werk des Malers als sensibel, das das einzigartige Leben darzustellen wusste, wie das der amerikanischen Wilden, von denen in den Büchern die Rede ist, tage- und wochenlang in Erstarrung badend und dann zu gewaltsamen Handlungen übergehend, reitend, hetzend, werfend, sich der Hitze, der Kälte, allen Arten von Gewalt aussetzend. Géricault hätte der englischen Öffentlichkeit keine zehn Werke präsentiert, dennoch sei sein Ruf groß.
Die letzten Jahre
Im Dezember 1821 kehrte der Maler nach Paris zurück, nachdem er in England krank geworden war. Seinen Zustand besserte sich nicht und ein Freund, der Chefarzt der Salpêtrière und Pionier der psychiatrischen Studien Étienne-Jean Georget, schlug ihm vor, die Porträts von zehn Kranken zu malen. Aus dieser Serie sind fünf Gemälde erhalten geblieben, darunter der Monomane du vol. Die Serie wurde erst in den 1920er Jahren in Paris veröffentlicht. Mit dieser Serie wird oft zu unrecht das Bild ‘Le Vendéen’ in Verbindung gebracht, ein verblüffend realistisches Porträt eines vom Bürgerkrieg gezeichneten Mannes in typischer Kleidung der Landbevölkerung aus der Vendée. Der Bürgerkrig in der Vendrée war ein bewaffneter Konflikt zwischen der royalistisch-katholischen Landbevölkerung des Départements Vendée und benachbarter Départements und den Repräsentanten und Truppen der Ersten Französischen Republik von 1793 bis 1796. Der porträtierte Mann erscheint traumatisiert.
Er fiel mehrmals vom Pferd und brach sich im August 1823 die Wirbelsäule, als er in der Rue des Martyrs in Paris stürzte. Bettlägerig und gelähmt diagnostizierten die Ärzte schließlich eine Schwindsucht - Tuberkulose - der Wirbelsäule. Er starb am 26. Januar 1824 in der Rue des Martyrs 2331 nach einem langen Todeskampf, der offiziell auf den Sturz vom Pferd zurückgeführt wurde.
In der Pariser Gesellschaft redete man allerdings von einer Geschlechtskrankheit, was den Philosophen und Kunstkritiker Élie Faure (1873-1937) später zu der Aussage veranlassen sollte: “Géricault est mort d’avoir trop fait l’amour” (Géricault starb, weil er zu viel Liebe gemacht hatte). Diese Gerüchte und Verleumdungen in der damaligen französischen Gesellschaft könnten aber wahrscheinlicher in der vorhandene Ablehnung seines erfolgreichen Engagements in London begründet liegen, da England zu dieser Zeit mit Frankreich in etliche kriegerische Auseinandersetzungen in Europa wie auch in Übersee involviert war.